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Von der JF zur WfD oder: Post von Lichtmesz

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Wie wir alle wissen, ist eines der Hauptanliegen der konservativen, „alternativen“ und sonstwie vom Hauptstrom der Medien (und der Macht) abgedrängten Publizistik, die „Meinungsfreiheit“ zu hüten und einzuklagen. Damit sind vor allem zwei Forderungen gemeint: 1. daß bestimmte, unliebsame Meinungen auch Gehör finden, und 2. daß diejenigen, die sie äußern, vor sozialen und legalen Repressalien, „Shitstorms“, „medialen Hexenjagden“ und ähnlichen Druckmitteln bewahrt werden sollen.

Es ist unschwer zu erkennen, daß wir „alternativen“ Publizisten hier natürlich vor allem in eigener Sache argumentieren, denn wir sind diejenigen, die die Anwendung der Druckmittel riskieren und abwehren müssen. Wer die besagten Repressionen ausübt und unterstützt, hat dagegen in der Regel keine Probleme, seine Meinungen zu äußern und zu verbreiten, und er riskiert auch selber nichts.

Diesen Journalisten stehen Kanäle offen, von denen die Marginalisierten nur träumen können, und sie riskieren allenfalls folgenlosen Widerspruch innerhalb des vom Establishment abgesteckten Rahmens und seiner Scheindebatten zum Gaudium des Publikums. Man kann in dieser Lage allenfalls ihre Heucheleien bloßlegen; an ihren Edelmut zu appellieren, wird gewiß nicht weiterhelfen.

Mit diesen Tatsachen im Hinterkopf frage ich mich also, was Meister Henning Hoffgaard, seines Zeichens Online-Redakteur der Wochenzeitung für Debatte, wohl im Schilde geführt haben mag, als er sich mutig aufs Voltaire’sche Roß schwang, um eine Lanze für eine verfolgte Unschuld namens Franz Josef Wagner zu brechen.

Ja, Sie haben richtig gelesen, jene allseits beliebte Edelfeder der BILD-Zeitung, ein Prachtexemplar innerhalb der bunten Kriechtierwelt der bundesdeutschen Medien. Ein Mann, dem die deutsche Literatur, sagen wir mal, Unsterbliches verdankt, und der auch schon mal zur „Ausrottung“ bestimmter Käfergruppen aus der Gesellschaft aufrief, deren Bestimmung bekanntlich in interessierter Hand liegt:

Dass Neo-Nazis widerlich sind, darüber waren wir uns alle einig. … Ich dachte, unsere Gesellschaft müsste diese Irren ertragen. Eine dunkle Minderheit. … Wir Bürger haben eine gemeinsame Pflicht. Wir müssen das Böse besiegen. Wir müssen die Nazis ausrotten aus unserem Leben. Sie gehören nicht zu uns.

Klar, das ist Kakerlakensprache, aber es geht doch nur gegen „das Böse“ und „die Bösen“, die „nicht zu uns gehören“, also ist es ja in Ordnung, nicht wahr? Man soll nur aufpassen, daß man nicht als nächster in dieses Rubrik gestopft wird.

Auch die „Pegida-Idioten“ hat Wagner mit einem liebevollen, vor Intelligenz berstenden (und nachträglich korrigierten) Briefchen bedacht:

Vor 2000 Jahren suchten zwei Flüchtlinge (sic), Josef und seine hochschwangere Frau Maria, eine Unterkunft. Es ist Weihnachten 2014. Und Ihr Pegida-Idioten demonstriert in Dresden gegen die Überfremdung. (…) 2014 hätte man Josef und Maria nicht in einen Stall einquartiert. Sie wären in ein Asylantenheim gekommen. Auf manche Asylantenheime sprayen Idioten Nazi-Parolen. Maria, Josef und Jesus würden also in diesem Asylantenheim leben. Und jeden Montag würden 10 000 Pegida-Idioten schreien: „Wir sind das Volk“. Jesus, verzeih uns. Das Volk ist leider oft dumm.

Diese beiden Beispiele nur zur Erinnerung. Wagner hat neben der Demagogennummer aber auch die Schmalzkiste im Repertoire, wobei er nicht davor zurückschreckt, wehrlose Verstorbene leichenschänderisch mit seinem Zuckerschleim zu übergießen. So auch in einem seiner jüngsten Virtuosenstücke, einem Briefchen, das allen Ernstes „An die Absturzopfer“ der Germanwings-Maschine gerichtet ist.

Dieses enthält geschmackvolle, lyrisch angehauchte Luftblasenprosa in diesem Stil:

Knabberten die Passagiere Nüsse, tranken sie Cola, guckten sie in die Sonne durch das Kabinenfenster? Nervten die Babys, die quengelten? Wie war die Stimmung in dem Flugzeug, das in den Tod flog? Ich hoffe, sie waren glücklich, bevor sie starben. Nette Stewardessen …

Wäre ich ein Angehöriger der Toten, mich würde es endlos ekeln vor einer solch schambefreiten, pseudo-einfühlenden Anbiederung. So gesehen kann ich Jenny Jürgens, die nun eine Petition gegen Wagner ins Leben rief, durchaus verstehen:

Seine Zeilen sind pietätlos und dumm und haben mit seriösem Journalismus nichts mehr zu tun. Sie wollen polarisieren? Ja das wissen wir, aber auch hier ist irgendwann eine Grenze erreicht. Diese Grenze nennt sich Würde! Diese Grenze zieht sich durch jedes kluge und human empfindende Herz. Genug ist genug!


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